Deprivationssyndrom

Als Deprivationssyndrom versteht man bestimmte Anzeichen, Symptome oder Verhaltensweisen, die ein Lebewesen als erwachsenes Tier in einer komplexen und anregenden Umwelt zeigt und den Schluß zulassen, das dieses Tier offenbar in einer reizarmen Umwelt geboren bzw. aufgewachsen ist. Das Tier ist nicht in der Lage, mit diesen für ihn neuen Umwelteinflüssen, Geräuschen, Erscheinungen und Situationen umzugehen. Es reagiert zunächst mit ängstlichem Verhalten auf alles, was ihm neu erscheint. Das kann je nach Umwelt sehr viel sein. So viel, daß das Tier zunehmend mehr Phobien entwickelt und in einem andauernden Zustand von Angst lebt. Mit der vom Tier zunächst gewählten Bewältigungsstrategie, nämlich in der Regel Flucht, erreicht der Hund nicht das von ihm erwartete Ergebnis, nämlich eine Distanzvergrößerung zum auslösenden Reiz. Dies führt dazu, daß der Hund in angespannten Situationen zunehmend mehr aggressives Verhalten zeigt, um eben das Ziel der Distanzvergrößerung durchzusetzen, was letztlich auch gelingt.
Diese Symptomatik liegt vor allem darin begründet, daß sich in frühen Entwicklungsstufen die Nervenverbindungen im Gehirn festlegen. Diese Verbindungen sind jedoch Reaktionen auf unterschiedlichste Sinneswahrnehmungen. Diese Wahrnehmungen werden mit ggf. vorher gemachten Erfahrungen abgeglichen und bewertet. Nervenzellen, die keine oder nur wenige Informationen aus den Sinneswahrnehmungen erhalten, werden sozusagen stillgelegt. Man behält nur, was man benutzt und benötigt. Auch dies ist eine besonders effiziente Form von Anpassung an die Umwelt, in die man hineingeboren wurde.
Hunde, die unter Deprivationssyndrom leiden, sind nur sehr begrenzt therapierbar, da wesentliche Phasen für Gewöhnung, Sozialisierung und Habituierung an die belebte und unbelebte Umwelt verstrichen sind. Der Hund kann zwar später noch lernen, jedoch ist dieses Unterfangen ungleich mühsam und auch nicht immer von Erfolg gekrönt.
Das Zeitfenster für diese Lernerfahrungen ist in der Tat auf einen sehr engen Bereich begrenzt. Man geht davon aus, daß Hunde zwischen der 3.Woche und dem Ende des 3.Monats besonders sensibel für die Reiz- und Nervenzellbahnung sind. Erschwerend kommt hinzu, das die Anzahl von Nervenverbindungen begrenzt ist. Was belegt ist, steht nicht mehr für neues Lernen zur Verfügung.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen